JOEST LEOPOLD „Vom Urquell zum Abgrund. Die Angst vor dem Meer“

Ausstellung vom 24.10.2025 – 08.11.2025 in der Galerie-Etage im Vegesacker Geschichtenhaus

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 11:00 h – 16:00 h

In den europäischen Gesellschaften ruft der Begriff „Meer“ heute überwiegend Assoziationen wie Urlaub, Freizeit, Entspannung und Romantik hervor. Dieses Phänomen findet sich nicht nur in Europa, aber ich möchte unseren Kontinent und hier vor allem Deutschland in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Das Meer diente der Menschheit in der Vergangenheit zuerst als wirtschaftlich determinierter Ort des Fischfangs, des Transports und des Handels, der göttliche Dimensionen aufwies, die in verschiedenen Mythologien Niederschlag fanden:
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.“ (Gen 1, 1f.)

In dieser Aussage der biblischen Urgeschichte, die auf die Priesterschrift (6.-5.Jh.v.Chr.) zurückgeht, wird der Geist Gottes mit dem Wasser in einen direkten Zusammenhang gebracht. Das omnipotente und schöpferische Element ist im Glauben der Menschen rückblickend urexistent und zuerst einmal positiv! Im Laufe der Zeit entdeckte der Mensch immer mehr die zerstörerischen Kräfte, vor allem bei Sturmfluten, Wassereinbrüchen und zunehmend auch in kriegerischen Auseinandersetzungen, als Einfallsweg feindlicher Gruppen. Das Wasser und vor allem das Meer wurde zum Ort der Gefahr, zum Ort des Bösen. In der Folge entwickelte sich eine Dämonisierung des Urquells und das Meer wurde zum Abgrund. Am Strand fand man zertrümmerte Reste versunkener Schiffe und so mutierte das Meer zum Ort der Finsternis. So erklärt sich auch die christliche Symbolik, in der unter anderem die Kirche zum sicheren Schiff stilisiert wurde, das über diese schrecklich erscheinende Welt hinwegschwamm. Bevölkert von teuflischen Wesen wie dem Leviathan, entfaltete sich in Europa eine Stimmung der Angst vor dem Meer, die sich erst mit dem Bäderwesen im 19. Jh. und unseren modernen Freizeitaktivitäten wieder änderte. Heute stehen wir dem Meer wieder mit anderen Gefühlen gegenüber, doch der Schatten des Abgründigen verfolgt uns bis in die Gegenwart und beeinflusst immer noch unser Handeln und Denken und die Metaphorik. Imperialismus, Krieg und Zerstörung, Schiffsuntergänge, Flucht und Seenot sind genau so wenig aus unserem Gedächtnis gestrichen wie die romantische Sehnsucht nach dem Meer und seinen Stränden. Im negativen und im positiven Referenzrahmen des Meeres finden sich immer noch Begriffe und Ideen, die das Meer und seine Schiffe symbolisch kontextualisieren und uns Orientierungen bieten.

In dieser Ausstellung beschäftigt sich Joest Leopold – in Ostfriesland aufgewachsen – mit den vielfältigen allgemeinen und persönlichen Assoziationen zum Meer und regt zum Nachdenken über die Geschichte, aber auch über unser gegenwärtiges Zusammenleben an. Kritische Bilder überwiegen deshalb in dieser Schau. Leopold arbeitet fotografisch unter Nutzung eigener, familiärer und historischer Fotografien mit realistischem Charakter, die mit diversen archaischen Methoden zusammengefügt und von abstrakt wirkenden Strukturen usw. überlagert werden. Dabei werden z. T. digitale Bilder mit Aquarellen verschmolzen und damit Kontexte geschaffen. Insgesamt entsteht so ein Werk mit einem eigenen Stil.

Vita
Dr. Joest Leopold

Joest Leopold, Jahrgang 1965 (Oldbg)
1986-1997 Studium der ev. Theologie, Religionswissenschaften, Kunstgeschichte und Politik, Abschluss mit Promotion in Religionsethnologie
1996-2007 Dozent an den Universitäten Oldenburg und Bremen
Seit 2000 Religionslehrer im Nieders. Schuldienst
Seit 2018 Initiator und Leiter des Erinnerungsprojektes IN MEMORIAM… an der PUS Hude
Zahlreiche Veröffentlichungen zu ethnischen nordamerikanischen Religionen und zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Künstlerische Tätigkeit seit 2018