Von Grönlandreisen, Seeleuten
und botanischen Raritäten
Maritimer Mittelpunkt. Bremens maritime Seite. Das maritime Herz der Stadt: Dies sind nur einige Bezeichnungen, mit denen Vegesack geschmückt wird. Per Bahn, Auto und Fahrrad schnell und einfach zu erreichen, ist der Ort an der Lesummündung ein beliebtes Ausflugsziel für alle, die Wasser, Schiffe, viel Grün und gelebte Geschichte lieben. Dabei spielen die See und Seefahrt stets eine zentrale Rolle.
Es heißt, Vegesack trägt seinen Namen, weil dort früher die Geldbeutel der Seeleute geleert wurden. Lange galt der Stadtteil als wichtigster Exporthafen Bremens, als Zentrum des Schiffsbaus und diente Walfängern als Stützpunkt. Hier kamen Schiffe aus Übersee an und Seeleute gaben ihre Heuer in den Kneipen rund um den heutigen Museumshaven aus. Bis heute spielt der Ort im Bereich Spezialschiffbau bei den ganz Großen mit.
Ein Hafen mit Geschichte
Das Herzstück des Stadtteils liegt direkt am Wasser. Dort, zwischen Lesummündung und Stadtgarten, erstreckt sich die Maritime Meile. 1852 Meter ist sie lang und entspricht damit einer Seemeile. Wer ihr folgt, erhält einen Einblick in die abwechslungsreiche Seefahrer- und Schiffsbau-Geschichte des Ortes. So befindet sich einige Meter hinter der Stelle, an der sich Weser und Lesum vereinen, der älteste künstlich angelegte Seehafen Deutschlands. 1622 eröffnet, prägte er maßgeblich das Gesicht des Stadtteils. Hier kamen Schiffe mit Waren aus aller Welt an und Walfänger starteten zu ihren Grönlandreisen. Lange diente er als maritimer Hauptumschlagplatz Bremens und galt als Zentrum der Loggerfischerei.
Seit 2006 darf sich der Vegesacker Hafen offiziell Museumshaven nennen. Natürlich mit dem traditionellen „v“ der alten Ausdrucksweise geschrieben. Heute ankern dort dauerhaft über 20 historische und Traditionsschiffe. Diese teilen sich das Hafenbecken mit modernen Sportbooten. Nur einen Steinwurf entfernt befinden sich viele zum Teil denkmalgeschützte Speicher und Packhäuser. Daneben stehen Skulpturen, die von der großen Zeit der Hafenstadt erzählen. Zum Beispiel die Walfluke im Knick Fähranleger und Weserpromenade oder der lebensgroße bronzene Walkiefer am Utkiek (plattdeutsch für „Ausguck“). Auf diesem Platz sollen die Familien der Walfänger gestanden und ihren davonsegelnden Männern nachgewunken haben.
Wer einen greifbaren Eindruck vom Vegesack des 19. Jahrhunderts bekommen möchte, kann dem Geschichtenhaus im Alten Speicher einen Besuch abstatten. Dieser befindet sich direkt neben dem Hafenbecken. In Form von Spielszenen erwecken dort Laienschauspieler in originalgetreuen Kostümen den Alltag rund um den ehemaligen Seehafen zum Leben.
Ein Park der sogar Goethe begeisterte
Ungefähr auf der Mitte der Maritimen Meile beginnt der Stadtgarten. Er gilt als das grüne Herz Vegesacks. Sein Ursprung liegt Anfang 1790, als der Arzt und Botaniker Albrecht Wilhelm Roth begann, auf einem Stück Weserufer einen Botanischen Garten anzulegen. Ein grünes Paradies voller exotischer und heimischer Pflanzen, das dank der in Vegesack anlegenden Kapitäne schnell wuchs. Diese brachten Roth immer neue botanische Besonderheiten von ihren Reisen mit. Selbst Goethe war der Rothsche Garten ein Begriff, da ihn mit Roth eine langjährige Brieffreundschaft verband.
Was als schmaler Garten begann, umfasst heute zwei Hektar. Zwischen Urwelt-Mammutbaum, Rosen, Douglasien und botanischen Exoten führen Treppen und Wege den Hang empor. Sie laden dazu ein, Park und Fluss aus verschiedenen Perspektiven zu entdecken. Das lohnt sich nicht nur wegen der Pflanzenwelt: Entlang des Weges finden sich Kunstwerke und maritime Exponate. Hinzu kommt die Promenade, die einen fantastischen Blick auf die Weser und vorbeifahrende Schiffe bietet. Spektakulär sind auch die Luxus-Yachten die man immer wieder mal auf der anderen Weserseite entdecken kann. Dort befinden sich mit Lürssen und Abeking & Rasmussen Werften von Weltrang, auf denen die beeindruckenden Schiffe gebaut, gewartet und repariert werden.
Wer Lust auf eine andere Perspektive hat, kann an eine kostenlose Ausfahrt mit der Barkasse „Vegebüdel“ machen. Diese „kartüffelt“ in der warmen Jahreszeit an jedem Sonntag die Maritime Meile entlang und ermöglicht es, sie von der Wasserseite aus zu erleben. Ein- und ausgestiegen wird am Fähranleger am Anfang des Stadtgartens. Dort legen auch die Schiffe der Reederei „Hal över“ an. Diese machen unter anderem auf dem Weg von Bremen nach Bremerhaven und zurück hier Station. Zu erkennen ist der Anleger durch einen sehr markanten Punkt: die Gezeitenstation. Die ehemalige Signalstation versorgte die Kapitäne im vergangenen Jahrhundert mit wichtigen Informationen über Pegelstände, Sturmwarnungen und Co. Heute kann man dort die aktuellen Pegelstände in Vegesack, Bremerhaven, Brake und Bremen ablesen. Sie werden historische Ständen gegenübergestellt. Schautafeln und interaktive Videos vermitteln Wissen über die Gravitationskräfte des Mondes und dessen Auswirkungen auf die Meere.
Charmante Kapitänshäuser und mächtige Gründerzeitvillen
Eine weitere schöne Art, sich die ehemalige Hafenstadt zu erschließen, ist ein Spaziergang durch das Quartier der Kapitäns- und Reederhäuser. Dort lebten seinerzeit Kapitäne, Handwerker, Lehrer und Kaufleute Haus an Haus. Bis heute gehört die Weserstraße zu den schönsten Bremens. An ihrer Nordseite bauten Kapitäne ihre kleinen, klassizistischen Häuser. An der Südseite errichteten wohlhabende Reeder, Kaufleute und Bankiers (Sommer-) Residenzen in Form von Gründerzeit-Villen mit Blick auf die Weser.
Vegesack kann jedoch nicht nur historisch: Hier macht es auch Spaß zu bummeln. Was die Shoppingmeile einzigartig macht, sind ihre vielen inhabergeführten Geschäfte. Diese verleihen ihr in Zeiten, in denen Fußgängerzonen sich ähnelt wie ein Ei dem anderen, ein unverwechselbares Gesicht. Die Shoppingmeile beginnt in der Altstadt, wo sich Kneipen, Restaurants und kleine Geschäfte aneinanderreihen. Es folgt das obere Vegesack mit seinen vielen Läden. All dies mündet schließlich in den Sedanplatz, wo dreimal die Woche der älteste Wochenmarkt Bremens stattfindet.
Text: Daniela Schilling