Die Strassen von
Bremen-Nord

Wie kommt es eigentlich, daß in Bremen-Nord auffällig viele Straßen nach Prominenten benannt worden sind, und für jede Stadt typische Straßennamen wie Grüne Straße, Bahnhofstraße, Lange Straße oder Poststraße nicht vorhanden sind?

Um das zu schildern, muß ich etwas ausholen. Das war nämlich so: Preußen verfolgte vor dem 2. Weltkrieg den Plan, die Gemeinden Schönebeck, Grohn, Aumund und Blumenthal mit der bremischen Hafenstadt Vegesack zu einer Gemeinde „Lesummünde“ zusammenzufassen, die danach etwa 35.000 Einwohner gehabt hätte. Die 1938/39 angestrebte Gebietsreform am Weser-Lesum-Ufer muß aber auch in Verbindung mit der Bremerhavener Gebietsreform gesehen werden. Dort waren bereits 1924 die preußischen Gemeinden Geestemünde und Lehe zu der neuen Stadt „Wesermünde“ zusammengeschlossen worden. Während man also noch über „Lesummünde“ grübelte, wurde 1939 die Stadt Bremerhaven mit 22.000 Einwohnern in die Stadt Wesermünde (75.000 Einwohner) eingegliedert. Nur der Hafen blieb bremisch, der „nach dem Willen des Führers“ weiterhin den historischen Namen „Bremerhaven“ trug. Als Ausgleich für das an Preußen abgegebene „Stadtgebiet Bremerhaven“ sollte Bremen die preußischen Gemeinden Hemelingen und Lesum erhalten.

Damit konnte Bremen aber nicht einverstanden sein. Neben den nun ganz preußisch gewordenen Wesermünde hätte eine weitere selbständige Stadt Lesummünde mit großen Schiffbaubetrieben wie Lürssen und Bremer Vulkan vor den eigenen Toren an der Unterweser Bremens Entwicklung stark behindert. Bremen entwickelte deshalb den Plan, die Gemeinden zwischen Ritterhude und Farge zu einem neuen Stadtbezirk nach Bremen einzugemeinden.

Bei einer gemeinsamen Besprechung im Rathaus gelang es 1938, die Vertreter des Reichsinnenministeriums und der Reichsstelle für Raumordnung hiervon grundsätzlich zu überzeugen. Ritterhude und die vom Weser-Lesum-Ufer weiter entfernten Gemeinden blieben dann zwar doch preußisch, aber das Kernstück der Gebietsreform wurde in der „Vierten Verordnung über den Neuaufbau des Reiches“ durchgesetzt. Mit der Wirkung vom 1.November 1939 wurden die Gemeinden Lesum, Grohn, Schönebeck, Aumund, Blumenthal und Farge bremisch und gemeinsam mit der Stadt Vegesack in die Stadt Bremen eingegliedert. Der offizielle Name für diese Region war „Bezirk Bremen-Nord der Stadt Bremen“.

Und nun ging der Ärger erst richtig los: Sämtliche Straßennamen gab es nun doppelt, was Bremen so änderte, daß Bremen-Nord sich neue Namen überlegen mußte. So wurde aus der oben genannten Grüne Straße die heutige Jaburgstraße, aus der Bahnhofstraße die untere Reeder-Bischoff-Straße, aus der Lange Straße in Grohn die Friedrich-Humbert-Straße und die Poststraße wurde in Wilmannsberg umgetauft. Die Reihe liesse sich noch lange weiterführen,, denn jedes kleine ehemalige Dörfchen im alten Preußen um 1939, das heute zum Norden Bremens gehört, hatte Dutzende Straßennamen, die die Stadt Bremen auch schon hatte.

So kommt es nun, wenn man z.B. durch Vegesack geht, daß es einem auffällt, so viele Straßenschilder mit Persönlichkeiten zu sichten, was ich subjektiv nicht schlecht finde. Nur finde ich es schade, daß man sowenig davon weiß, wer zum Beispiel Herr oder Frau Jaburg, Bischoff, Humbert oder Willmann waren. Vielleicht finden wir in naher Zukunft kleine Schildchen unter den Straßennamen, (was in vielen Städten schon der Fall ist) die uns kurz beschreiben, wer diese Person war und was sie bekannt gemacht hat.

von Armin Seedorf