Vegesack
Das Dorf an der Auemündung
Ist Vegesack eine gegründete Stadt? Nein. Die geschützte Lage am Fuße des Geesthanges, der von der letzten Eiszeit übrig blieb, die Lesummündung mit dem Schönebecker Sand und die Auemündung als natürlicher Hafen waren ideale Voraussetzungen für eine frühe Besiedlung, für den Handel und die Schiffahrt. Heute besteht der Stadtteil Vegesack aus den damaligen Dörfern und jetzigen Ortsteilen Schönebeck, Grohn, Alt-Vegesack, Fähr-Lobbendorf und Aumund-Hammersbeck (im Uhrzeigersinn). Jeder dieser Ortsteile weist eine reichhaltige Geschichte auf, die hier aber nur in Kurzform wiedergegeben werden kann.
Schönebeck
…wird im Volksmund auch „Bremer Schweiz“ genannt. Besonders in diesem Teil von Bremen kommt man sich vor, als befände man sich in der Schweiz. Das sonst so gewohnte Bremer Flachland hört auf und die „Berge“ (Hügel) beginnen. Das Phänomen beobachtet man aber nicht nur in Schönebeck sondern in ganz Bremen-Nord, denn gerade dieses Stückchen Land befindet sich auf einer Sanddüne, die sich von Neuenkirchen bis Osterholz-Scharmbeck erstreckt. Die natürlichen Grenzen der eiszeitlichen Düne sind die Weser, Lesum und Hamme.
Schönebeck ist es ein überwiegend grüner Ortsteil. Der Hauptanziehungspunkt ist wohl das „Schloß Schönebeck“, in dem sich heute ein Heimatmuseum befindet und in dem früher die Ritter wohnten. Der Ort hat seinen Namen von „SchöneBeeke“. Beeke ist der alte Name für Bach, der auch den Ortsteil Hammersbeck geprägt hat. Aber dazu später mehr. Die größten Grundbesitzer waren die Ritter von der Borch, die große Macht ausübten indem sie u.a. unzumutbare Abgaben von den Bauern verlangten, ihnen aber auch Schutz boten. Ihre Macht reichte vom Freien Damm, wo größten Teils die Meier wohnten, bis zur Borchshöhe, Vegesacker Aue, Grohnund bis zu den Erbfischern an der Lesum.
Obwohl heute eine umfangreiche Bebauung vorliegt, hat Schönebeck nichts von seinem Reiz verloren. Das Auetal gilt als ein gern angenommenes Naherholungsgebiet; auch im Winter, denn dann werden, die Auewiesen beim Schloß überschwemmt und das Eis ist zum Schlittschuhlaufen freigegeben.
Grohn
Die Chronik besagt, daß es um 1557 drei Höfe gab. Erst als die Bauern und Fischer Hörige der Herren von Schönebeck wurden, ist der Name des Ortes amtlich erwähnt. Die Herren von der Borch hatten die Gerichtsbarkeit vom Freien Damm bis an die Lesum. Diese Einteilung ist bis heute geblieben: Es ist die jetzige „Grenze“ zwischen Schönebeck (Stadtteil Vegesack) und St. Magnus (Stadtteil Burglesum).
Die Grenze nach Vegesack war die Aue am „Alten Deep“ („Altes Tief“). Heute erinnert der verstümmelte Straßenzug „Zum alten Tief“ beim Grohner Freizeitheim noch an die ehemalige Auemündung, die in den Jahren des Hafenbaus in ihrem Flußlauf verändert wurde. Nach Aumund wurde 1778 eine einfache Holzbrücke über die „Furt“ gelegt. Heute steht dort der Stinnes Baumarkt und die Aue beachtet man kaum noch, denn die Betonbrücke der Uhthoffstraße, die die Holzbrücke ersetzt hat, läßt den kleinen Fluß fast gänzlich unter Straßenlärm und Asphalt verschwinden. Die Wiesen und das bewachsene Neuland unterm Översberg bezeichnete man als „Grohden“. Daraus entstand der seit 1861 amtliche Name „Grohn“.
Es wurde überwiegend Fischerei betrieben. Noch heute wohnt ein alter „Erbfischer“ in Grohn in der Straße „Am Wasser“. Mit seinem Boot an der Lesum wurden früher Personen auf Wunsch zum Schönebecker Sand übergesetzt. Wenn man heute dort hin möchte muß das Lesum-Sperrwerk benutzt werden, das Anfang der 70er Jahre als Brücke und Hochwasser-Sperre gebaut wurde.
Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde durch die Industrieansiedlung das Gesicht von Grohn entscheidend verändert. Es entstanden die Tauwerk-(BTF) und die Steingutfabrik. Die „Actiengesellschaft Norddeutsche SteingutAG“, hatte am Anfang ihr Plätzchen dort wo sich heute die „Grohner Düne“ und die neue katholische Kirche befindet. In diesem Gebiet rauchten damals in Grohn die langen Schornsteine.
(Alt-) Vegesack
Die Anfänge des Ortes lassen sich mit Sicherheit bis 1470 zurückverfolgen. 1619-1623 entstand der erste künstliche Hafen Europas, und was sich als rasch wachsende Ortschaft um diesen Hafen entwickelte, erhielt seinen Namen von dem alten Krughaus „Thom Fegesacke“, das schon um 1500 bestanden haben soll.
Vegesack selbst war in den wirren politischen Zeitläufen 1653 schwedisch, 1712 dänisch, 1715 bremisch, 1741 zu „Kur Hannover“ gehörig und erst 1804 endgültig bremisch. Wohl gemerkt nur der Bereich um den Hafen herum. Schon im 17. Jahrhundert galt der Ort als Schiffbauplatz.
Vegesack ist heute Zentrum für den gesamten Ortsamtbereich und darüber hinaus mittelständisches Zentrum für Bremen-Nord. Zum Flanieren sei der Stadtgarten wärmstens empfohlen, der in den letzten Jahren für die Öffentlichkeit erweitert und gepflegt wurde. „Schiffeguck’n“ kann man hier auch bestens, denn sie sind in kaum einen anderen Quartier so nahe zu sehen wir hier an der Strandpromenade.
Aber woher kommt der ungewöhnliche Name des Ortes Vegesack? Er bestand aus einer Reihe von Häusern beiderseits der Aue. Der eine Teil, das heutige Vegesack, wurde als „thom Vegesack“ oder „zum Vegesack“ bezeichnet, weil den damaligen Seefahrern, bevor sie auf große Fahrt gingen, in einigen der Dutzenden Kneipen im wahrsten Sinne des Wortes der Geldsack leergefegt wurde. Der andere Teil auf der Grohner Seite wurde als „Wegesack“ angesehen, da die Wege zur Weser hin absacken. Beides ist nicht falsch, dennoch bleibt die Entstehung des Namens „Vegesack“ für viele Deutungen offen.
Fähr-Lobbendorf
Dieser Ortsteil liegt zwischen Blumenthal und Vegesack und läßt sich zumindest bis Anfang des 15. Jahrhunderts nachverfolgen. Geprägt wurde er damals durch den „Fährgrund“, einer tiefen Schlucht, deren Grundwasser einen Fahrweg (über die heutige Schulkenstraße) zur Weser bot. Sie war 800m lang, 30m breit und 15m tief. Nachweislich gab es dort schon 1599 eine Fähre. Der Weg nach Blumenthal führte nördlich um dieses Wasser herum. Nach Vegesack wurde erst 1800 eine lange Holzbrücke zur Verbindung der heutigen Gerhard-Rohlfs-Straße und der Lindenstraße errichtet. Der Grund wurde im Laufe der Zeit zugeschüttet und war lange Zeit ein übel riechender Abfallplatz. Heute merkt man von der damaligen 15m tiefen Schlucht nichts mehr, sondernfährt zum „Fritz Piaskowskibad“ gleich nebenan und/oder erfreut sichan den gelungenen Grünanlagen. Wichtigster Betrieb in diesem Örtchen war die Schiffswerft Bremer Vulkan nebst Dieselmotorenwerk (DMV).
Aumund-Hammersbeck
Zu den wichtigsten Rittern des Erzstiftes gehörten die Ministerialen von Oumünde (Aumund). Der erste – Diedrich – wird 1144 genannt, und noch 1422 hat hier ein Herr von Oumünde gelebt. Durch die Machteinflüsse dieser Ritter gab es hier ähnliche Belastungen wie in den Nachbarorten. Die älteste Ortschaft ist Aumund. Dieser sehr ausgedehnte Bereich war überwiegend landwirtschaftlich genutzt, und später folgten Industrieansiedlungen und Handwerksbetriebe. Die Borchshöhe als Übergang zur „Bremer Schweiz“ (Schönebeck) ist reich an Baumbestand. Ziegelei, Holzhandel und eine Zigarrenfabrik boten der rasch heranwachsenden Bevölkerung Arbeitsmöglichkeiten.
Die Ortschaft Hammersbeck wurde schon 1581 erwähnt und entstand aus dem durchfließenden Bach „Beckedorfer Beeke“ und aller Wahrscheinlichkeit nach von einer alten Hofstelle, auf der ein Ostfriese mit Namen Hamer gewohnt hat.
…Und dies waren nur kleine Kostproben der vielfältigen Geschichte vom Stadtteil Vegesack, der 1939 nach Bremen eingemeindet wurde. Das Ziel zur Neugliederung des Unterweserraumes um Vegesack war nämlich Mitte der 30er Jahre klar formuliert: „Die kommunale Zersplitterung sollte überwunden werden.“ Aber über den Weg dorthin gab es sehr unterschiedliche Auffassungen. Es bestand die Möglichkeit einer Eingemeindung nach Bremen oder die Bildung einer selbständigen Stadt am Weser-Lesum-Ufer mit Namen Lesummünde.Wie wir heute wissen wurde aus der selbständigen Stadt (leider) nichts,und aus dem schönen Namen „Lesummünde“ wurde am 23.02.1951 der kühle Name „Bremen-Nord“, der trotzdem bei vielen Vegesackern Lokalpatriotismus erzeugt, wenn sie z.B. im Urlaub nach ihrem Wohnort gefragt werden.
Man wohnt halt in Bremen-Nord. „Ich fahr’ mal eb’n nach Brem’n.“ tönt es aus vielen Vegesacker Häusern wenn man in die Bremer Innenstadt möchte. Auswärtige würden die Stirne runzeln und fragen: „Ist Vegesack nicht Bremen?“ Vielleicht liegt es daran, daß die Innenstadt soweit weg liegt, denn von Rekum bis zum südöstlichen Zipfel Bremens sind es stolze 40 km, oder es liegt daran, daß dem heutigen Bremen-Nord bei der Eingemeindung 1939 sämtliche alte Straßennamen genommen wurden? Schließlich gab es ja die Bahnhofstraße, Bismarckstraße, Bremer Straße, Buchtstraße, Sandstraße und Poststraße just doppelt, (nur um einige zu nennen) was von Bremen aus geändert werden mußte. Oder wußten Sie, daß die Straßen Reeder-Bischoff-Straße, Sagerstraße, Uhthoffstraße, Rohrstraße, Bermpohlstraße und Wilmannsberg vor dem zweiten Weltkrieg anders hießen?
Dennoch: Immer noch ändert sich täglich Vegesacks Bild: neue Wege entstehen („Warnemünder Weg“ am Sportplatz), Werftbrachen (Altes Lürssengelände) werden abgerissen und neue Attraktionen werden aktiviert (Schulschiff Deutschland). Wir können gespannt sein, was aus dem ehemaligen Walfangstädtchen in Zukunft wird. Wenn die Vegesacker gut drauf sind, Werder Bremen Meister wird und ein kühles Beck’s stehts zur Hand ist, sind die Vegesacker vom Gefühl her fast bremisch.
Übrigens: Alle Artikel sind in der alten deutschen Rechtschreibung verfaßt und stammen aus dem Jahr 2000.
von Armin Seedorf